Die Science Based Targets (SBT) sind messbare, umsetzbare und zeitgebundene Ziele, die auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen.
Sie ermöglichen Akteuren, sich an den planetaren Grenzen und den Zielen des Pariser Klimaabkommens zu orientieren.
Aufgrund der hohen Anforderungen, die ein Unternehmen erfüllen muss, um im großen Stil Emissionen zu reduzieren, gilt der Ansatz als einer der strengsten weltweit.
Background der Science Based Targets
Vier Umweltorganisationen – CDP, WWF, UN Global Compact sowie das World Resources Institute – haben die Science Based Targets Initiative (SBTi) ins Leben gerufen. Durch diese Zusammenarbeit wurde der erste globale, wissenschaftlich fundierte Standard für Unternehmen zur Festlegung von Netto-Null-Zielen entwickelt.
Bei den SBT orientieren sich die Emissionsreduktionen nicht an vermeintlichen Einsparpotenzialen von Unternehmen, sondern am verbleibenden Emissionsbudget bis 2100.
Der methodische Ansatz lautet dabei wie folgt:
- Abschätzung des globalen THG-Budgets (Menge an Emissionen, die freigesetzt werden können, bis es zur Überschreitung einer bestimmten Temperaturschwelle kommt) – für 1,5°C-Ziel von 2018 bis 2050 990 Gigatonnen CO2-Äquivalente
- Modellierung des THG-Budgets über die Zeit mithilfe von Emissionsszenarien.
- Runterbrechen des THG-Budgets auf den Privatsektor und einzelne Unternehmen, entweder mit dem Absolute Concentration Approach (Emissionsreduktion jährlich linear um 4,2%) oder mit den Sectoral Decarbonization Approach (Reduktion der Emissionsintensität bis zu einem Stichtag auf denselben Wert).
990 Gigatonnen CO2-Äquivalente mögen auf den ersten Block nun viel aussehen. Dem ist jedoch nicht so. Denn laut dem Mercator Forschungsinstitut für Klimawandel (MCC) stoßen wir pro Sekunde 1.337 Tonnen CO2-Emissionen in die Atmosphäre aus. Nach den Berechnungen des MCC bleiben uns für die Erreichung des 1,5°C-Ziels so nur mehr knapp 6 Jahre, bis das Emissionsbudget voll ausgeschöpft ist.
Was danach folgt, erleben wir in abgespeckter Version schon heute: Extremwetterereignisse, Ernteausfälle, Artensterben, Gletscherschmelze – die Liste ist lang.
Für wen sind die Science Based Targets relevant?
Die Zielgruppe stellen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden dar, die spätestens bis zum Jahr 2050 das Netto-Null-Ziel erreichen möchten. Auch KMUs können sich SBT setzen, allerdings gelten für diese andere Prozesse und Richtlinien. Auf der Website der SBTi sind sämtliche Unternehmen veröffentlicht, die sich zu SBT verpflichtet haben oder bereits validierte SBT aufweisen.
Möchte ein Unternehmen SBT aufstellen, sind folgende 5 Schritte notwendig:
- Verpflichten: Commitment Letter ausfüllen und einreichen, in dem die Absicht bekundet wird, SBTs festzulegen.
- Entwickeln: Emissionsreduktionsziel erarbeiten, das den Eignungskriterien des SBTi entspricht.
- Einreichen: Das Ziel zur vollständigen Validierung dem SBTi vorlegen.
- Kommunizieren: Das Ziel ankündigen und die Interessengruppen informieren.
- Offenlegen: Jährlich über die unternehmensweiten Emissionen berichten und die Zielerreichung verfolgen.
Die Ziele sollen vom Unternehmen selbst gesetzt werden. Inhaltlich geht es um die Reduktion von Emissionen. Nebenziele sich jedoch auch mit den Lieferant:innen beschäftigen. Beispielhafte Zielformulierungen findest du im Abschnitt Ziele.
Zeitrahmen
Wenn sich Unternehmen zur Festlegung von SBT verpflichten, haben sie zwei Jahre lang Zeit, um diese validieren zu lassen. Validierte Ziele müssen spätestens 6 Monate nach der Validierung auf der Website der SBTi veröffentlicht werden.
Welche Ziele gibt es?
Um mit den SBT zu arbeiten, muss der Corporate Carbon Footprint (CCF), also die Gesamtemissionen des Unternehmens, bekannt sein. Um diese zu berechnen, verweist die SBTi auf das GHG Protocol.
Es können kurzfristige oder langfristige Ziele gesetzt werden.
Kurzfristige Ziele umfassen einen Zielhorizont von 5-10 Jahren. Spätestens alle 5 Jahre müssen die Ziele auf ihre Aktualität geprüft werden. Sie dienen als Meilensteine auf dem Weg zur Erreichung der langfristigen Ziele. Es ist wichtig, sich auch kurzfristige Ziele zu setzen, um das globale Emissionsbudget nicht zu überschreiten.
Langfristige Ziele zeigen Unternehmen, wie viel Emissionen sie in der Lieferkette reduzieren müssen, um spätestens 2050 das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Mithilfe der langfristigen Ziele werden mindestens 90% der Gesamtemissionen der Unternehmen reduziert.
Die restlichen Emissionen müssen von Unternehmen neutralisiert werden. Der Begriff „Neutralisation“ beschreibt Methoden, mithilfe derer Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernt und permanent gespeichert werden kann. Ohne diesem Prozess kann ein Unternehmen nicht behaupten, das Netto-Null Ziel erreicht zu haben!
SBT können beispielsweise so aussehen:
- XY verpflichtet sich dazu, in der gesamten Wertschöpfungskette bis 2040, ausgehend vom Basisjahr 2020, netto-null Treibhausgasemissionen zu erreichen.
- Bezüglich kurzfristiger Ziele verpflichtet sich XY dazu, Scope 1 und Scope 2 Emissionen bis 2030, ausgehend vom Basisjahr 2019, um 50% zu reduzieren. Außerdem verpflichtet sich XY dazu, dass 60% aller Lieferant:innen (nach Ausgaben) bis 2025 ebenfalls science-based targets aufgestellt haben.
Die fünf Schritte der Zielsetzung
Die Zielsetzung lässt sich in 5 Schritte gliedern:
- Assess (Erheben): Was sind die größten Auswirkungen der Organisation auf die Umwelt?
- Prioritize (Priorisieren): Welche Bereiche sollen fokussiert werden? Wo soll verstärkt gehandelt werden? Das sind die Prioritätsziele
- Measure (Messen): Basisdaten zu den Prioritätszielen messen und weitere Ziele setzen
- Act (Handeln): Jetzige Auswirkungen reduzieren und Systeme transformieren
- Track (Messen): Fortschritte bezüglich der Ziele messen und öffentlich darüber berichten
Unternehmen müssen zudem ein Scope 3-Screening für alle relevanten Scope 3- Kategorien durchführen, um deren Signifikanz zu bestimmen. Ein ambitioniertes und messbares Scope 3-Ziel mit einem eindeutigen Zeitraum ist dann nötig, wenn Scope 3-Emissionen einen signifikanten Anteil (grösser als 40%) der gesamten Emissionen des Unternehmens abdecken.
Wie erfolgt die Zielformulierung?
Die genaue Zielformulierung kann nach einer von zwei Methoden erfolgen: dem absoluten Konstraktionsansatz oder dem sektorbasierten Dekarbonisierungsansatz (SDA). Je nachdem legen Unternehmen dann absolute oder intensitätsbezogene Ziele vor. 4 von 5 Unternehmen mit validierten Zielen verwenden den absoluten Kontraktionsansatz. Die Wahl des SDA macht dann Sinn, wenn das Unternehmen in einem von der SBTi gelisteten Sektoren tätig ist.
Absolute Ziele
Diese Art von Zielen baut auf dem Prinzip der Emissionskontraktion auf. Das heißt, dass der Emissionsausstoß sämtlicher Unternehmen durch eine stets konstante Reduzierungsrate vermindert wird – unabhängig von den unterschiedlichen Emissionsintensitäten im Basisjahr. Die Mindestreduzierungsrate im Rahmen der SBT beträgt jährlich linear 2,5%. Die meisten Unternehmen in kritischen Sektoren müssen absolute Ziele setzen.
Kurz: Absolute Ziele legen eine jährlich lineare Emissionsreduktion von mind. 2,5% des Unternehmens fest.
Zielformulierung: XY verpflichtet sich, die CO2-Emissionen von Scope 1 und Scope 2 von 2023 bis 2028 um 12% zu reduzieren.
Intensitätsbezogene Ziele nach dem SDA
Der SDA beschreibt sektorspezifische Wege zur Dekarbonisierung und basiert auf dem Prinzip der Konvergenz. Das heißt, dass sich die Emissionsintensität aller Unternehmen eines Sektors laufend annähert und sich dann in einem Zieljahr angleichen sollen. Dies ist kommt allerdings nur bei Sektoren in Frage, die einheitliche physische Aktivitätsindikatoren haben (z.B. kWh).
Zielformulierung: XY verpflichtet sich, die CO2-Emissionen von 2023 bis 2026 um 25% pro kWh Strom zu reduzieren.
Es ist jedoch nicht nur ausreichend, sich hohe Ziele zu setzen. Damit diese auch erfüllt werden können, sollen die SBT auch in die Unternehmensstrategie miteinfließen. Dadurch wird gewährleistet, dass alle zukünftigen Geschäftsfelder zur Zielerreichung beitragen.
Derzeit besteht noch kein Kontrollmechanismus bei der Verfehlung von Zielen.
Maßnahmen
Du fragst dich, wie dein Unternehmen zu Netto-Null-Zielen kommen kann? Maßnahmen hängen natürlich stark vom Unternehmen und dem Sektor ab, in dem es tätig ist. Einige allgemeine Bereiche, in denen oft ein hohes Reduktionspotenzial herrscht, sind beispielsweise Energie, Wertschöpfungskette und Produktdesign.
Maßnahmen für das Erreichen kurzfristiger Ziele können z.B. umfassen:
- Gebäudeautomatisierungssysteme
- Aktualisierung der Geschäftsreiserichtlinien zur Förderung kohlenstoffarmer Transportmöglichkeiten wie Bahn, öffentlicher Nahverkehr Transit, Tele- und Videokonferenzen
- Fleischfreie Kantine mit Verwendung von Bioprodukten
Maßnahmen für das Erreichen langfristiger Ziele können Folgendes beinhalten:
- Dekarbonisierung von Bürogebäuden
- Dekarbonisierung des Fuhrparks, Förderung nachhaltiger Mobilität durch Mitarbeitende (z.B. E-Carsharing, Förderung von Fahrgemeinschaften durch Verfügung stellen von E-PKW zur gemeinsamen Anreise an den Firmenstandort)
- Festlegung von Schlüsselaufgaben zur Energieeinsparung, die die Treibhausgasemissionen in den Werken und Depots reduzieren
- Testen und Umsetzen von Lösungen zur Reduzierung, Wiederverwendung oder zum Recycling von Einwegkunststoffen, die im täglichen Betrieb verwendet werden
- Ersetzen neuer Kunststoffverpackungen durch recycelte Materialien und Prüfung der Verwendung kompostierbarer und faserbasierter Materialien.
Vorteile für Unternehmen
Die SBT gelten als aktuell strengster Ansatz in Sachen Nachhaltigkeit. Basierend auf den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen stellen sie einen glaubwürdigen und transparenten Standard zur Erreichung der Pariser Klimaziele dar. Zusätzlich werden die Ziele extern von renommierten Organisationen validiert und auf der Website der SBTi veröffentlicht. SBT-validierte Ziele sind also ein guter Weg, um das Markenimage und das Vertrauen in das eigene Unternehmen zu stärken. Sie stellen außerdem einen Wettbewerbsvorteil dar, da sich Unternehmen so als zukunftsfähig positionieren können.
Durch die hohen Anforderungen, die aktuell noch über gesetzliche Bestimmungen hinausgehen, sind Organisationen zudem perfekt für zukünftige rechtliche Forderungen gerüstet und gelten als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit.
Außerdem werden Kosteneinsparungen durch gesteigerte Effizienz ermöglicht.
Fazit
Mithilfe der SBT können Unternehmen einen wichtigen Schritt setzen, um wirtschaftliches Handeln mit Nachhaltigkeit vereinbar zu machen. Allerdings ergibt sich der Erfolg der SBTi nur, wenn sich so viele große Unternehmen wie nur möglich zu diesen Zielen verpflichten. Wenn dein Unternehmen Unterstützung im Bereich SBT benötigt, kontaktiere uns gerne.
Sofie Kranewitter, Juli 2023